Der Feminismus ist rosa! Ein gefährlicher Rückschritt oder eine neue Form des Empowerments?
Seit dem Kino-Phänomen „Barbie“ erleben hyperfeminine Darstellungen einen Höhenflug. Influencer:innen auf TikTok präsentieren stolz blondierte Haare, pastellrosane Miniröcke und glitzernde Fingernägel. Diese Hyperfeminität wird als Empowerment gefeiert, aber ist es wirklich ein Fortschritt oder eher ein gefährlicher Rückschritt zu traditionellen Weiblichkeitsbildern?
Die Philosophie der Hyperfeminität: Ein Rückblick mit Jean-Paul Sartre
Der französische Philosoph Jean-Paul Sartre kann helfen, diese Frage zu beantworten. Sartres Philosophie setzt sich mit dem Individuum und dem Spannungsverhältnis zwischen Selbst- und Fremdbestimmung auseinander. Er beschreibt, wie Menschen oft in soziale Rollen fliehen, um der Angst vor der eigenen Freiheit zu entkommen. In seinem Beispiel des Kellners zeigt Sartre, dass dieser seine Rolle so intensiv spielt, dass er seine wahre Identität unterdrückt. Ähnlich könnte man argumentieren, dass hyperfeminine Darstellungen eine Flucht in eine Rolle darstellen, die durch den „male gaze“ konstruiert wurde.
Der „male gaze“ und seine Auswirkungen
In den 1970er-Jahren entwickelte die Filmtheoretikerin Laura Mulvey das Konzept des „male gaze“. Dieser beschreibt den männlichen, heterosexuellen Blick, der Frauen als sexuelle Objekte inszeniert. Weiblich gelesene Personen werden entlang der Präferenzen dieses Blicks dargestellt, was dazu führt, dass Frauen lernen, sich selbst durch die Augen der Männer zu sehen. Dieses Phänomen beeinflusst nicht nur das Verhalten von Frauen, sondern auch ihre Selbstwahrnehmung.
Das Dilemma der Hyperfeminität
Hyperfeminine Darstellungen könnten dem „male gaze“ entsprechen und traditionelle Weiblichkeitsbilder verstärken. Sartres und Mulveys Theorien legen nahe, dass Frauen, die hyperfeminine Rollen annehmen, möglicherweise nicht frei sind, sondern sich den Erwartungen des Patriarchats unterwerfen. Doch was passiert, wenn Frauen diese Rollen bewusst und stolz einnehmen?
Hyperfeminität als neue Form der Selbstbestimmung
Trotz der kritischen Perspektiven von Sartre, Mulvey und Butler gibt es eine individualistische Progressivität in der Hyperfeminität. Frauen, die hyperfeminine Rollen annehmen, zeigen eine Selbstbestimmung, die über den Vorwurf der Angepasstheit hinausgeht. Sie tragen Weiblichkeit mit einem Stolz, der die normative Frauenrolle hinterfragt. Diese Übertreibung weiblicher Attribute wirkt fast karikaturistisch und ruft eine kognitive Dissonanz hervor.
Die Neudefinition von Weiblichkeit
Die Hyperfeminität erweitert die Definition von Weiblichkeit, indem sie auch männlich gelesene und queere Personen, Women of Color und kurvige Frauen einbezieht. Dadurch wird der „male gaze“ unterlaufen und eine neue, inklusivere Weiblichkeit geschaffen. Die Hyperfeminität tritt in das Spiel mit dem Blick der Anderen ein, bestätigt diesen zunächst und bricht ihn dann von innen auf.
Fazit: Selbstbestimmung durch Reflexion und Gemeinschaft
Selbstbestimmung bedeutet, zu hinterfragen, was wirklich zu einem selbst gehört und was von anderen auferlegt wurde. Es ist wichtig, sich mit den eigenen Werten und Überzeugungen auseinanderzusetzen und zu erkennen, was von der Gesellschaft anerzogen wurde. Dieser Prozess erfordert oft, in Gemeinschaft zu gehen und sich auszutauschen. Manchmal kann es auch sinnvoll sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um Klarheit über die eigene Identität und Wünsche zu erlangen.
Die Hyperfeminität kann sowohl als Rückschritt als auch als neue Form des Empowerments gesehen werden. Letztendlich liegt die Macht in der bewussten Entscheidung der Frauen, diese Rollen anzunehmen und zu gestalten. Selbstbestimmtheit entsteht durch die kritische Reflexion der eigenen Identität und den Mut, diese unabhängig von gesellschaftlichen Normen zu leben.