Einmal nerven behalten lernen
Monatelanges Training, viele kurze Schlafphasen, um auch an den vollen Tagen das Training zu schaffen. Auch mental hatte ich mich vorbereitet und mich auf bergauf und bergrunter auf der Radstrecke und sogar der Laufstrecke eingestellt. Ich dachte wirklich, ich hätte die gesamten Vorbereitungen auf das große sportliche Ereignis gut im Griff. Da gab es jedoch einen kleinen, wenn auch bedeutenden Faktor, auf den ich keinen Einfluss hatte: Das Wetter! Und es war genau das, was mir einen Strich durch die Rechnung gemacht hat …
Kurz vor dem großen Tag
Aber fangen wir von vorne an: Die Hinreise verlief unkompliziert und war mit 3 Stunden ungewöhnlich kurz, denn normalerweise nehmen wir ja jedes Jahr die viel längere Reise nach Mallorca zum Ironman 70.3. auf uns.
In Kraichgau angekommen, konnten wir deutlich spüren, dass es dort viel wärmer als in Düsseldorf war, sodass wir langsam ahnten, dass der Wetterbericht wohl doch stimmt und sich die 23 Grad am Donnerstag tatsächlich bis Sonntag in ganze 33 Grad verwandeln werden. Nur mein Kopf wollte das nicht glauben, denn plötzliche Wetterumstellungen kann mein Körper nicht gut ab und bei einer so anspruchsvollen Distanz braucht das zusätzlich keiner. Skeptisch behielt ich also das Wetter im Auge und so wurde es von Freitag auf Samstag zumindest 25 Grad warm. So konnte ich dem Wetter doch etwas Positives abgewinnen, denn der eiskalte See gewann dadurch noch etwas an Wärme und hatte am Sonntag optimale 21 Grad.
Beim letzten Lauf am Samstag musste ich feststellen, dass dieser doch nicht so locker war wie gedacht, denn eine völlig überhöhte Herzfrequenz und schwerer Atem waren die Folge und zeigten mir, dass viel Leistung leider im Moment schon aufgrund der Erhöhung der Temperaturen nicht drin ist. Ich versuchte allerdings, mich nicht allzusehr beeindrucken zu lassen. Gut geplant und auch für die wahrscheinlich aufkommende Sonne, habe ich mir am Samstag noch eine Laufmütze sowie einen langen Einteiler gekauft. Zumindest von den beeinflussbaren Gegebenheiten war ich also bestens vorbereitet.
Die Zauberformel: Nerven behalten beim Triathlon
Nach einer wie immer unruhigen und kurzen Nacht, ging es in aller Frühe zum Frühstück, da ich meinen Magen nicht zu sehr belasten wollte, gab es kein Weizen, sondern Dinkelbrot, genau wie zu Hause. Danach brachte uns der Shuttleservice um 06:00 Uhr zum 7 km entfernten See. Countdown zum Wettkampf: Noch 1,5 Stunden. Trotz der frühen Morgenstunden war im T-Shirt schon klar, dass heute ein wunderschöner und heißer Sommertag werden wird, den ich mir persönlich nicht gewünscht habe. Ich dachte nur noch daran, dass es jetzt am wichtigsten ist die Nerven zu behalten und dass der Satz, den meine wundervollen Klienten oft hören dürfen, passte: „Es ist weder gut noch schlecht, es ist einfach.“ Also sagte ich mir: „Mach das Beste draus“. Doch wie man merkt, rotierte mein Kopf! Eine kleine Rede des örtlichen Pfarrers gab das Beste dazu: „Auch wenn ihr hier heute nicht eure Leistung erreicht, ihr seid wundervoll und wertvoll, einfach weil ihr ihr seid“. Zumindest für mich reichte es, um die Nerven wieder zu sammeln.
Kaum hatte ich mich jedoch in den Neoprenanzug gezwängt, musste ich feststellen, dass ich doch noch mal kurz auf die Toilette musste. Wer schon mal einen Neoprenanzug angezogen hat, weiß, dass das keine leichte Aufgabe ist, vor allem, wenn nur noch 10 Minuten vor dem Start der Profis und dem Schließen der Wechselzone verbleiben … Glücklicherweise hat es aber alles problemlos geklappt und so ging es voll motiviert und etwas ängstlich an den Schwimmstart. In der Sonne stehend mit Neo wurde dies in den 30 Minuten zwar etwas sehr heiß, aber die Vorfreude auf das kühle Wasser stieg. Kurz Adam umarmt, meinen Trainer und Motivator, viel Erfolg gewünscht und los ging es ins Abenteuer Ironman 70.3 Kraichgau.
Der Startschuss ist gefallen
Die ersten 10 Minuten verliefen problemlos und wirklich gut. Danach wurde es jedoch an den Bojen etwas voll … Blöd lief es für mich ca. 400 Meter vorm Ziel, denn ich verlor durch die vielen Menschen um mich herum und das damit wackelnde Wasser und eine blendende Sonne, die Orientierung. Etwas panisch überlegte ich, was ich tun soll, und entschied mich einfach, mich an einen Schwimmer zu hängen, in der Hoffnung, er wisse wohin. Hat dann auch irgendwie geklappt. Heilfroh, und tatsächlich ohne merkbare Belastung, ging es auf in die Wechselzone, wo es schon sichtlich voll und damit heiß war. Meine Laune fiel allerdings in den Keller, weil ich enttäuscht über 39 Minuten war. Ich hatte nämlich sehr, sehr viel geübt und mit 35 Minuten gerechnet. Als ich kurz Adam traf, war es allerdings schnell vergessen und der Fokus war wieder auf das Ziel gerichtet. So schnell es ging umgezogen, irgendwie versucht ins nasse Oberteil des Einteilers noch reinzukommen und dann schwang ich mich aufs Bike.
Wie immer sammel ich mich da erst mal, trinke etwas, esse einen Riegel und versuche in meinem Tempo die ersten 10 km zu schaffen. Nach 40 km und einer bis dahin guten Zeit verließen mich allerdings etwas die Kräfte, da die brennende Sonne mir mehr und mehr Energie zu rauben schien. Also versuchte ich, mich in der nächsten Wasserstation mit der Getränkeflasche zu kühlen, statt zu trinken … und das half zumindest die 90 km in ca. 3 Stunden durchzuhalten.
Die Hitzeschlacht beim Ironman 70.3
Als ich für mich gefühlt endlich in der nächsten Wechselzone ankam, war die glühende Mittagshitze da. 21,1 km standen mir also in brüllender Hitze bevor und nahmen mir direkt die Lust. Durchhalten auch vom Kopf ist für mich genauso wichtig, wie eine gute Versorgung des Körpers und dennoch war es an dem Tag mein großes Problem.
Wieder traf ich Adam. Dieses Mal nach 3 km und ich stellte fest, dass er nur 2 km vor mir ist. Einholen wurde also zumindest für die nächsten 8 km mein Ziel. Nur leider war ich nach den 11 km völlig überhitzt, hatte zu wenig Salz eingenommen und war ausgebrannt, auch vom Kopf.
Kurz vor dem Aufgeben entschied ich mich dafür, eine kurze Besprechung mit dem Trainer, der immer noch vor mir war, abzuhalten.
Da es in seiner Welt kein Aufgeben gibt, gab es nur hilfreiche Tipps, wie: „Salz einnehmen, Eiswürfel ins Oberteil und viel trinken”. Etwas frustriert über das wenige Verständnis aufgeben zu wollen lief ich weiter und begegnete einem Kollegen von der Arbeit. Er bestritt an dem Tag seine erste Mitteldistanz im Triathlon und wirkte sehr fröhlich schon beim Laufen angekommen zu seien. Seine positive Stimmung sorgte abrupt für ein Umdenken von mir und so lief ich weiter und weiter … Gefühlt wurde es heißer und heißer. Das Einzige was jetzt noch für mich zählte, war der Weg bis zur nächsten Verpflegungsstelle. Ich hielt die letzten 10 km also durch, gab den negativen Gedanken aufgeben zu wollen keine Chance und kam nach knapp 6 Stunden überglücklich im Ziel an.
Wie so häufig musste ich, nachdem die Anspannung und Anstrengung so Kräfte zerrend war, erst mal weinen und damit alles loslassen.
Meine lebenslange Reise
Man könnte jetzt meinen, ich hätte mich auch im Nachhinein mega gefreut, aber meine unglaubliche Härte zu mir selbst und mein fehlendes Verständnis für die körperlichen Grenzen ließen mich wütend werden. Wütend auf das Wetter, welches einfach nicht von mir bestellt war. Wütend auf die letzten Monate vielleicht doch zu mildes Training und wütend über einen Körper, der natürlich keine Maschine ist.
Auch heute, wo ich diese Zeilen schreibe, entsteht ein Schamgefühl bei mir. Als Coach, Vorbild und nach jahrelangem des „besser Wissens“ es einfach manchmal immer noch nicht besser zu können, macht mich demütig und lehrt mich, dass die lebenslange Reise zu mir nie enden wird. Es wird Situationen geben, in denen diese alten Muster wieder hochkommen und ich werde stetig da dranbleiben, dass sie mir das Leben trotzdem angenehm gestalten. In dem ich sie mit Liebe annehme und ganz allmählich lerne noch mehr loszulassen. Ich bin auf dem Weg, so wie wir alle hoffentlich…
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