I no longer make my parents proud

Wie oft ich in den letzten Tagen, vor der Mitteldistanz Ironman, über diesen Satz nachgedacht habe und wie sich mein Verständnis von eben diesem verändert hat…

Aber fangen wir mal vorne an...

Da war es wieder, dieses Verlangen meine Grenzen zu testen.

So kam ich im Sommer diesen Jahres alleine auf die Idee, mich beim Ironman 70.3 Wettkampf in Bahrain anzumelden. Dabei steckte ich gerade mitten in meiner Yogalehrerausbildung und war zudem viel mit meiner Beziehung beschäftigt. Ohne daher überhaupt zu wissen, wie ich das Ganze unter einen Hut bringen könnte, spürte ich trotzdem, dass das genau die richtige Entscheidung war. Da allerdings zu dem Zeitpunkt weder feststand, ob mich jemand begleiten würde, noch ob ich es schaffen würde, das Training noch einmal so hochzufahren, schob ich die Hotel- und Flugbuchung bis 2 Monate vor dem Wettkampf …

Ironman 70.3 Bahrain

Während ich von dieser Idee des Ironmans in einem fernen Land Feuer und Flamme war, sträubte sich Adam lange dagegen. Seine Gründe gegen die Reise waren zum einen, dass der Wettkampf am Ende einer sehr langen Saison liegt. Diesen Grund kann ich heute ein bisschen besser nachvollziehen, denn irgendwann ist es einfach Zeit, die Energiespeicher wieder aufzuladen. Und zum anderen begründete er es damit, dass die gesamte Reise sehr kostenintensiv war, was mir natürlich einleuchtete. Mein Argument für die Reise war hingegen etwas kurz, dafür aber sehr stichhaltig, wie ich fand: Es ist ein einmaliges Abenteuer! Schließlich war Adam dann doch überzeugt und begleitete mich auf diese abenteuerliche Reise …

Stoße ich an meine Grenzen?

Nachdem meine Begleitung also feststand, kam mir dann noch kurz vor der Yogalehrerprüfung der Gedanke, dass ich jetzt noch mehr Energie in das Training packen muss, sonst wäre ja die Reise umsonst. Aber wie so oft im Leben war das bei den vielen Dingen, die ich unbedingt machen wollte, jetzt gar nicht so einfach einzuteilen.

An diesem Punkt musste ich mir eingestehen, dass ich nur eine Person bin und nur begrenzt Energiereserven habe.

Also fokussierte ich mich mit 60 % auf die Ausbildung und nahm die anderen 40 % gefühlt fürs Training. Was mich an manchen Tagen frustrierte und gleichzeitig demütig machte. Demütig, dass ich ein Mensch mit Grenzen bin und dass es im Training und auch im Leben darum geht raus aus der Komfortzone zu kommen und rein in die Wachstumszone, dazu noch am besten sogar ab und an in die Panikzone vorzudringen. Aber eben so, wie es an dem jeweiligen Tag geht und nicht, wie ich mir das so vorher überlegt hatte.

Gerade voran gekommen und nun krank…

Etwas schleppend, aber dennoch zuversichtlich ging es die ersten Wochen durchs Training bis ich, mit Sicherheit aufgrund der vielen Dinge, die ich tat, krank wurde. Wundervoll, wenn der Körper stop sagt und ich weiß, er hat ja so recht. Also hieß es 14 Tage gesund werden, ein bisschen trainieren und wieder gesund werden. Nachdem auch das überstanden war, schwanden meine positiven Gedanken zum Ironman 70.3.

Bis ich einer Klientin sagte: „Wenn du vorher schon annimmst, du schaffst das, dann wird es auch so sein …“

Schön, wie einfach man die Dinge für andere Menschen beim Namen nennen kann und wie blind wir oft für die Dinge in unserem eigenen Leben sind.

Mit einer Auseinandersetzung meiner eigenen Einstellung und dem Versuch einzuschätzen, ob ich das Ganze trotz megavieler To-dos doch noch schaffen kann, verliefen die nächsten Wochen wie im Flug. Bis es dann wirklich mit dem Flugzeug nach Bahrain ging …

Damit wir uns gut akklimatisieren konnten, reisten wir bereits 6 Tage vor dem Wettkampf an. Meine Idee war, in Bahrain auf Entdeckungstour zu gehen, mitsamt einer spannenden Wüstenübernachtung. Als wir dann aber am 01. Dezember in Bahrain landeten, war schnell klar, die Insel ist ziemlich klein und im Wandel. Ich hatte mir ausgemalt, dass Bahrain wie Dubai ist. Doch es zieht sich eine weite Wüstenlandschaft durch das Land, wodurch auf der Insel ein ziemlich kahles Panorama herrscht.

Daraus habe ich zwei wichtige Dinge gelernt: Nächstes Mal besser vorbereiten und Achtung bei der Auswahl der Reiseziele! 🙂 Lustigerweise merke ich, dass ich dies intuitiv bei unseren nächsten Reisen gleich umgesetzt habe. Wie sagt ein schönes Sprichwort so schön: Entweder ich lerne oder ich gewinne, verlieren tue ich niemals.

Die etwas andere Fahrradtour in Bahrain

Zurück nach Bahrain und dem etwas bescheidenen Sightseeing-Angebot … Am 2. Tag stand, wie eigentlich immer, eine kleine Radtour und das vorherige Aufbauen der Bikes auf dem Plan. Auf der Straße angekommen, stand schnell fest, dass Autos Radfahrer nicht so richtig mögen und dass wir in der Rushhour losgefahren sind. Auf der Suche nach einem Radladen, und damit genug Luft für die Laufräder, stießen wir auf Jafaar. Jafaar, der Leiter eines Trekshändlers, lud uns gleich an diesem Abend zu seiner Ausfahrt ein und versprach, dass man da wirklich Radfahren kann.

Das klang verlockend. Guter Dinge schnappten wir uns also am Abend ein Taxi, liessen die Innenstadt hinter uns und fuhren zum Startpunkt der Radtour. Nach einer sehr herzlichen Begrüßung und einer kurzen Instruktion ging es kurze Zeit später schon los. Es war meine erste Tour in einer großen Gruppe oder überhaupt in einer Gruppe, mit nur Männern und in einem fremden Land in der Abenddämmerung, ohne Licht am Fahrrad. Ein sehr spannendes Abenteuer! Nachdem ich relativ schnell verstanden habe, dass nur zählt, was vor dir liegt und Aufschließen wichtig ist, vor allem auch um Windschatten zu bekommen, genossen wir die 55 kilometerlange Radtour durch einsame Straßen von Bahrain sehr. Nach der Tour wurden wir zum Essen eingeladen und ließen den Abend in geselliger Runde bei einem guten Gespräch ausklingen. Danach wurden wir sogar zurück ins Hotel gebracht.

Nach diesem schönen Abend stand für mich fest: Die Reise hat sich jetzt schon gelohnt.

Zeit für Selbstreflexion

Die nächsten Tage waren allerdings, wie immer, sehr gemischt. Mein Kopf redet fast ununterbrochen, bis ich dank eines tollen Buches an den Kern meiner Angst kam.

Die wichtigste Frage im Leben ist ja oft: „Wieso machst du das überhaupt? Was ist Dein Ziel?“

Um ganz ehrlich zu mir zu sein, stellte ich fest, dass ich die Mitteldistanz irgendwann mal angefangen habe, um etwas außergewöhnlich Großes zu machen und meinen Dad zu beeindrucken (der übrigens noch nie wirklich davon beeindruckt war). Und irgendwie war ich dann nicht mehr aus der Nummer rausgekommen.

Oftmals stelle ich fest, dass wir Menschen viele Dinge machen und eigentlich gar nicht wissen, warum. Wir haben sie einfach irgendwann angefangen und dann nicht mehr hinterfragt. Dank meiner Angst vor der langen Distanz und dem Pensum, was ich meinem Körper allerdings abverlangen muss, ging in diesem Falle ein einfach machen nicht … Und so blieb dank meiner Emotionen ein Widerstand, der mich fast schon dazu zwang, hineinzufühlen und mich damit auseinanderzusetzen.

Am Ende blieb, zum ersten Mal vor einem Rennen, die Vorfreude. Vorfreude auf ein Rennen nur für mich. Deshalb stellte ich jegliches Posten und die Kommunikation über den Wettkampf ein und hielt dies bis 1 Tag nach dem Rennen bei.

Wenn ich heute hier so sitze und das schreibe, dann versteht mein kognitiver Verstand gar nicht, wie mir das nach so viel Reflexion und Wachstum mit mir in den letzten Jahren noch so passieren konnte, aber ein anderer Teil meiner Seele weiß, dass mir so etwas noch ein paar mal passieren wird. Vielleicht verstehe ich es das nächste Mal aber schneller … Ich hoffe es auf jeden Fall.

Der große Tag

Der Tag auf den ich so lange gewartet habe … Erst so weit weg und dann doch so schnell da … Es war der 09. Dezember 2019 und damit Raceday in Bahrain. Morgens, nach einer schlaflosen Nacht dank einer Allergie gegen keine Ahnung was, klingelte in aller Frühe der Wecker. Es war erst 3:40 Uhr morgens, als ich mich ziemlich unausgeschlafen ins Bad schleppte, um mich zu duschen. Rein in die Klamotten, kurzes Frühstück, und etwas später als geplant ging es um 4:45 Uhr mit dem Taxi los zum Start. Die Straßen waren natürlich schon für das Rennen gesperrt, wodurch der Weg länger dauerte als üblich.

Als wir endlich am Bike in der Wechselzone angekommen sind, war es noch immer sehr dunkel.

Schnell die Reifen aufgepumpt, ein letzter Check, Toilette aufgesucht, Neo angezogen und dann ab zum Start. Obwohl dies mittlerweile ziemlich eingespielte Abläufe sind, sorgt trotzdem jeder Einzelne für steigende Nervosität. Ohne jedoch viel mit Adam zu reden und ziemlich mit mir selbst beschäftigt, lockerte ich die Arme, zog meine Schwimmutensilien an und wartete auf den Start. 6:30 Ortszeit fiel der Startschuß für alle Ak-Athleten und da wir uns immer ambitioniert einsortieren, für uns nur 5 Minuten später.

Das kühle Nass

Tatsächlich war ich am Start noch ziemlich müde, was zum einen an der schlaflosen Nacht und zum anderen an der Uhrzeit lag, denn in Deutschland war es wegen der Zeitverschiebung erst 4:30 Uhr. Das doch ziemlich kalte, trübe und unglaublich salzige Wasser änderte dies jedoch schlagartig, denn zu meiner Überraschung war es nämlich gar kein klares Süßwasser, wie erwartet.

Oftmals werden die Athleten bei der Mitteldistanz in Schüben ins Wasser gelassen, in Bahrain lief man allerdings einfach in einem die Treppe runter rein. Also blieb keine Zeit stehen zu bleiben und groß nachzudenken. Stattdessen lautete die Parole: schwimmen oder überschwimmt werden!

Schwimmen ist leider bis heute nicht meine Disziplin und auch bei diesem Rennen änderte sich dies nicht.

Trotzdem fand ich meinen relaxten Rhythmus und schwamm ohne große Probleme mein Tempo.

Nach 39 Minuten erreichte ich den Ausstieg und war megahappy die erste Disziplin in einer guten Zeit gemeistert zu haben.

Schnell unter die Dusche gesprungen, mit allem, was ich so an hatte, und versucht, das Salz gleich abzuwaschen. Danach ging es im mäßigen Tempo Richtung Wechselzone. Diese war sehr angenehm mit Teppich ausgelegt und bat genug Platz zum Umziehen.

Also schnellstmöglich aus dem Neo raus, rein in die Radschuhe, Nummer umgebunden, Helm auf und das Wichtigste: die Brille aufgesetzt. Da mir meine Endzeit egal war, nahm ich mir auch noch die Zeit, die Hülle meiner Brille in den Laufbeutel zu stecken. Der Neo macht ja sonst alles nass … 😉

Das Streckenhighlight

Nach so viel Entspannung ging es dann doch gleich flott los auf dem Bike. Mit meiner neuen Rennmaschine und einfach happy über den Moment, flog ich nur so an vielen Athleten vorbei. Bis ich auf ein Feld auffuhr, welches sich nicht so richtig einig war, ob es schnell oder langsam fahren möchte. Als ich mich nach wahrscheinlich Kilometer 40 auch daraus gekämpft hatte, ging es auf das Highlight der Strecke: die Formel 1 Strecke von Bahrain. Beeindruckt und hochkonzentriert, weil der ein oder andere es schaffte, sich auf der Strecke neben der Straße zu befinden, genoss ich meine erste Fahrt mit dem Bike auf einer Rennstrecke. Bis es auch schon wieder auf den Rückweg nach Manama ging. Etwas einsam und an vielen Autos vorbei, die im Stau standen, ging es geradeaus ca. 40 Kilometer zurück zur Wechselzone.

Ein Blick auf den Tacho verriet mir, dass die Tour heute meine persönliche Bestzeit toppen wird, was mich in dem Moment so sehr freute, dass ich überlegte nach dem Radfahren aufzuhören.

Bekanntlich ist der Ausstieg ja dann am besten, wenn man alles für den Tag erreicht hat und es fast nicht mehr besser werden kann.

Außerdem schmerzte mein linkes Knie sehr und langsam wurde es windig und heiß. Schon alles durchdacht und genauestens geplant, kam ich in der Wechselzone an und stellte schnell fest, dass fast alle Frauen um mich herum noch auf der Radstrecke waren.

Halb im Plan aufzuhören und deshalb die Wasserflaschen am mitschleppen, lief ich zum letzten Wechselbeutel, zog mich wie voll automatisch um und lief auf die Laufstrecke. Schon im Vorfeld hatte ich vor dem Lauf am meisten Respekt, zum einen, weil es die letzte Disziplin ist und zum anderen, weil das im Training ein bisschen sehr kurz kam.

Nichtsdestotrotz lief ich langsam und auch hier entspannt einfach einen Fuß vor den anderen setzend weiter. Bis ich auf Adam traf und feststellte, er ist nur 3 km vor mir. So schlecht war ich also an dem Tag gar nicht drauf … Auch das beflügelte mich einfach auf meinen Körper zu hören und weiterhin von „jetzt“ zu „jetzt“ zu agieren. Das Kopfkino kostet mich sonst zu viel Energie.

Mit vielen Emotionen durchs Ziel

Mit genau dieser Methode lief ich Runde um Runde und war so glücklich, als ich das 3. von 3 Bändern für die letzte Runde bekam. Ganz aufmerksam und wirklich am Ende meiner Kräfte, lief ich die letzten Meter mit einem Lächeln ins Ziel. Ich war so stolz auf mich und meine Leistung, dass ich auf den letzten Metern vor Freude weinen musste. Das wundervolle daran ist, dass die Zuschauer von so vielen Emotionen der Athleten in den Bann gezogen werden und einen die letzten Meter wie einen Star feiern. Und ehrlich gesagt, habe ich diesen magischen Moment schon so oft verpasst und es dieses Mal endlich anders gemacht.

Denn was ist ein Sieg, wenn man den Moment nicht genießen kann, weil man bei dem ist, was hätte besser/anders sein können? Doch ein Sieg in dem ich über mich hinausgewachsen bin, wie schon so oft vor allem dieses Jahr und in den ich auch noch voll wahrnehme, weil ich einfach im hier & jetzt bin, das ist ein wirklicher Sieg.

Und der gehört uns allein! Und selbst alle Versuche, dies am nächsten Tag mit anderen zu teilen, können dieses Gefühl einfach nicht beschreibbar machen.

Doch ich wünsche Euch lieben Lesern, Freunde und Followern, dass Ihr in 2020 ganz viele solcher Momente erlebt und natürlich muss man dafür keinen Ironman 70.3 bestreiten …

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